Haftet die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt für eine falsch errechnete Immobilienertragsteuer?

Im Jahr 2012 hat die Gesetzgeberin die Besteuerung von privaten Grundstücken grundlegend geändert. Zuvor war grundsätzlich eine steuerfreie Veräußerung nach Ablauf der sog. Spekulationsfrist von 10 Jahren für unbebaute und von 15 Jahren für bebaute Grundstücke möglich. Das damals neue Gesetz sah vor, dass für Grundstücksanschaffungen vor dem 31.3.2002, bei denen zum 31.3.2012 die Spekulationsfrist bereits abgelaufen ist, eine pauschale Besteuerung zur Anwendung gelangt.


In § 30 Abs. 4 EStG ist geregelt, dass in solchen Fällen grundsätzlich 4,2 % des Veräußerungserlöses als Steuer abzuführen ist. Im Falle einer Umwidmung von Grünland in Bauland ab dem 1.1.1988 sind im Fall der späteren Veräußerung 18 % des Erlöses als Immobilienertragsteuer (ImmoESt) fällig (60 % x 30 %). Die Verkäuferin bzw. der Verkäufer hat im Rahmen des Veräußerungsvorgangs eine Parteienvertreter:in (z.B. eine Rechtsanwältin) mit der Berechnung und der Abfuhr der Steuer beauftragen. Die bzw. der Steuerpflichtige muss dieser allerdings alle erforderlichen Unterlagen und Informationen vorlegen.


Die Parteienvertreter:innen haften dann für die Abfuhr der ImmoESt. Hinsichtlich der Richtigkeit haften diese dem Gesetz entsprechend nur, wenn die ImmoESt wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben der Steuerpflichtigen berechnet wird. Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsanwalt im Zuge des Verkaufes des Grundstückes im Dezember 2015 den niedrigeren Steuersatz für die Ermittlung der ImmoESt angesetzt, da der Verkäufer davon ausgegangen ist, dass das Grundstück bereits seit jeher als Bauland galt. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass eine steuerrechtlich relevante Umwidmung erst im September 2015 stattgefunden hat und nicht schon, wie vom Verkäufer eingewendet, die Baulandwidmung seit jeher aufgrund des bestehenden Bebauungsplans vorgelegen ist, womit 18 % des Veräußerungserlöses als ImmoESt abzuführen wären. Im Jahr 2016 hat das Finanzamt den Rechtsanwalt mittels Bescheids zur Haftung dieses höheren Betrages herangezogen.


Das Bundesfinanzgericht stimmte dem Finanzamt zu. Der Verwaltungsgerichtshof (GZ Ro 2022/15/0004 vom 9.2.2022) wies jedoch darauf hin, dass im Falle einer zu niedrig ermittelten ImmoESt die bzw. der Grundstücksverkäufer:in Steuerschuldner:in ist. Daneben haftet die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt (Parteienvertreter:in) gemäß § 30c Abs. 3 EStG dann für die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer, wenn sie bzw. er die ImmoESt wider besseres Wissen auf Grundlage der Angaben der bzw. des Steuerpflichtigen zu niedrig berechnet hat. Das BFG und das Finanzamt haben in ihren Bescheiden die wesentliche Frage, ob diese gesetzlichen Voraussetzungen für eine Haftung des Rechtsanwalts überhaupt vorliegen, nicht behandelt. Aufgrund dieser Verkennung der Rechtslage hat der VwGH den Haftungsbescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.


Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt nicht automatisch, aber in gewissen Fällen, für eine zu gering berechnete ImmoESt haftet. In der Praxis wird daher häufig auf die Expertise einer Steuerberater:in zurückgegriffen, um auch bei komplexen Sachverhalten eine korrekte Ermittlung der ImmoESt zu gewährleisten.

Mehr Davon

Das Könnte Sie auch
interessieren

Aktuelles

4. Dezember 2024

Nachdem es im letzten Jahr einige Änderungen bei der Vignette gegeben hat (Einführung der 1-Tages-Vignette und deren sofortige Gültigkeit auch beim Onlinekauf usw.), kommt es im Jahr 2025 „nur“ zu Preiserhöhungen gem. des harmonisierten Verbraucherpreisindex und somit zu einer Erhöhung um 7,7 %.

Aktuelles

4. Dezember 2024

Für alle, die ihr arbeitgebereigenes E-Fahrzeug 2025 aufladen: Der maßgebliche Kostenersatz liegt bei 35,889 Cent/kWh – das gibt’s laut Sachbezugswerteverordnung! Perfekt für alle, die emissionsfrei fahren und dabei steuerliche Vorteile nutzen wollen. 

Aktuelles

2. Dezember 2024

Gewerbetreibende und Ärzte (Zahnärzte) können unter bestimmten Bedingungen eine rückwirkende Befreiung von der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (Ärzte nur von der Pensionsversicherung) beantragen.

Aktuelles

29. Oktober 2024

Du hast Deinen Hauptwohnsitz aus beruflichen Gründen behalten, während Dein Familienwohnsitz durch Deinen Partner an einen anderen Ort verlegt wurde? Der VwGH hat sich mit genau dieser Situation befasst und eine wichtige Entscheidung getroffen!

Aktuelles

22. Oktober 2024

Der neue Kollektivvertrag bringt einige spannende Änderungen mit sich – vor allem mehr Flexibilität und planbare Freizeit für Arbeitnehmer:innen und faire Bedingungen für die Branche. Hier ist ein Überblick für Dich über die wichtigsten Neuerungen:

Aktuelles

17. Oktober 2024

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat kürzlich entschieden, dass Fremdfinanzierungskosten wie Zinsen im Zusammenhang mit der Vermietung einer Immobilie auch dann als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Kredit von Familienangehörigen aufgenommen wurde. Entscheidend dabei ist, dass die Kreditmittel ausschließlich zur Finanzierung der Immobilie verwendet werden und die Rückzahlungen aus den eigenen Mitteln des Vermieters erfolgen.

Aktuelles

15. Oktober 2024

Für den schnellen Wiederaufbau und zur Unterstützung von betroffenen Unternehmen stehen ab sofort verschiedene Hilfen zur Verfügung:

Aktuelles

19. September 2024

Die COVID-19-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice in vielen Branchen etabliert, und ab 1.1.2025 kommt es zu weiteren Neuerungen durch das neue Telearbeitsgesetz:

Aktuelles

17. September 2024

Seit dem Brexit gilt Großbritannien als Drittland, jedoch gibt es einige Sonderregelungen zur Vorsteuervergütung.

Aktuelles

4. Oktober 2023

In der letzten KI (09/23) haben wir umfassend über die steuerlichen Erleichterungen für von der Hochwasserkatastrophe Betroffene berichtet. In ähnlicher Weise hat auch die ÖGK unbürokratische Soforthilfe für betroffene Unternehmen veröffentlicht. Ziel dabei ist es, jenen, die durch die Katastrophe in Not geraten sind bzw. massive wirtschaftliche Schäden erlitten haben, maßgeschneiderte Lösungen ohne „Wenn und Aber“ anzubieten.

Aktuelles

4. Oktober 2023

Durch die jüngst von der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Inflation beschlossene, erneute Erhöhung des Leitzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte ergeben sich Anpassungen beim Basiszinssatz (nunmehr 3,88 %), welcher wiederum als mehrfacher Referenzzinssatz dient. Die entsprechenden Jahreszinssätze sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Sofern die genannten Zinsen einen Betrag von 50 € nicht erreichen, werden sie nicht festgesetzt.

Aktuelles

4. Oktober 2023

Im Zuge einer einvernehmlichen Ehescheidung hatten zwei Eheleute eine Vereinbarung über die Unterhaltspflichten und die Aufteilung des Vermögens getroffen. Eine gemeinsam als Wertanlage gekaufte Immobilie sollte in das Alleineigentum der Frau übergehen, wobei die Frau eine monatliche Leibrente zu zahlen hatte. Wird eine Liegenschaft mittels Rente übertragen, die als angemessen gilt, liegt eine steuerlich beachtliche Gegenleistungsrente vor. Wird hingegen eine Rente gezahlt, die nicht als angemessene Gegenleistung qualifiziert werden kann, muss von einer freiwilligen Zuwendung bzw. einer Unterhaltsrente ausgegangen werden, welche steuerlich nicht relevant ist. Üblicherweise sind Aufteilungen im Scheidungsvergleich als unentgeltlich einzustufen, da Zahlungen ausschließlich oder überwiegend mit der früheren familiären Beziehung bzw. deren vermögensrechtlichen Abwicklung in Zusammenhang stehen.