Ende der Steuerschuld kraft Rechnungslegung bei Umsätzen an Endverbraucher:innen?

Der EuGH hatte im Jahre 2022 einen Fall aus Österreich zu beurteilen (Rs C-378/21, P-GmbH vom 08.12.2022), bei dem es um eine Betreiberin eines Indoor-Spielplatzes ging. Im Jahr 2019 unterwarf die Betreiberin, die P-GmbH, die Eintrittsgelder irrtümlich dem Normalsteuersatz von 20 %, anstatt den ermäßigten Steuersatz von 13 % anzuwenden. Auf den Registrierkassenbelegen wurden 20 % Umsatzsteuer ausgewiesen und diese Steuer wurde auch an das Finanzamt bezahlt. Als die P-GmbH diesen Fehler erkannte, forderte sie vom Finanzamt die zu viel bezahlte Umsatzsteuer (7 %) zurück. Das Finanzamt hatte die Rückzahlung verweigert, da es der Ansicht war, durch die Registrierkassenbelege entstand eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung.

Steuerschuld kraft Rechnungslegung liegt immer dann vor, wenn Unternehmer:innen eine Lieferung oder sonstige Leistung erbracht haben und in der Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweisen, die sie aber eigentlich nicht schulden (wie im oben beschriebenen Fall hätte auf den Belegen ein Steuersatz von 13 % ausgewiesen werden sollen, irrtümlich wurden 20 % USt verrechnet). Unternehmer:innen können diesen Fehler aber wieder korrigieren, indem sie zu einem späteren Zeitpunkt die falsch ausgestellten Rechnungen entsprechend berichtigen. Die Steuer führt dann im Monat der Berichtigung zu einer Gutschrift.

Im Fall, den der EuGH zu beurteilen hatte, bestand nun das Problem darin, dass die P-GmbH als Indoor-Spielplatzbetreiberin nicht feststellen konnte, wer die Kund:innen waren und somit eine Rechnungskorrektur unmöglich war. Die P-GmbH argumentierte, dass es in ihrem Fall zu keiner Gefährdung des Steueraufkommens kommen kann, da die Leistungsempfänger:innen ausschließlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher:innen seien. Der EuGH entschied, dass in diesem Fall keine Steuerschuld kraft Rechnungslegung vorliegt. Das Ziel dieses Konzepts sei es, das Steueraufkommen nicht zu gefährden. Da die Leistungsempfänger:innen ausschließlich Endverbraucher:innen sind, die keinen Vorsteuerabzug geltend machen können, liegt diese Gefahr nicht vor.

Diese Gerichtsentscheidung wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2023 in das österreichische Recht übernommen. Nun liegt eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung nicht mehr vor, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht, weil die Lieferung oder sonstige Leistung ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher:innen erbracht wurde. Fraglich ist, wie eng diese Bestimmung von der Finanzverwaltung auszulegen ist, da der Begriff „ausschließlich an Endverbraucher:innen“ verwendet wurde. Wird dieser Begriff eng ausgelegt, so führt diese Gesetzesänderung in der Praxis wohl kaum zur erhofften Vereinfachung und Entlastung von Unternehmer:innen.

Mehr Davon

Das Könnte Sie auch
interessieren

Aktuelles

4. Dezember 2024

Nachdem es im letzten Jahr einige Änderungen bei der Vignette gegeben hat (Einführung der 1-Tages-Vignette und deren sofortige Gültigkeit auch beim Onlinekauf usw.), kommt es im Jahr 2025 „nur“ zu Preiserhöhungen gem. des harmonisierten Verbraucherpreisindex und somit zu einer Erhöhung um 7,7 %.

Aktuelles

4. Dezember 2024

Für alle, die ihr arbeitgebereigenes E-Fahrzeug 2025 aufladen: Der maßgebliche Kostenersatz liegt bei 35,889 Cent/kWh – das gibt’s laut Sachbezugswerteverordnung! Perfekt für alle, die emissionsfrei fahren und dabei steuerliche Vorteile nutzen wollen. 

Aktuelles

2. Dezember 2024

Gewerbetreibende und Ärzte (Zahnärzte) können unter bestimmten Bedingungen eine rückwirkende Befreiung von der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (Ärzte nur von der Pensionsversicherung) beantragen.

Aktuelles

29. Oktober 2024

Du hast Deinen Hauptwohnsitz aus beruflichen Gründen behalten, während Dein Familienwohnsitz durch Deinen Partner an einen anderen Ort verlegt wurde? Der VwGH hat sich mit genau dieser Situation befasst und eine wichtige Entscheidung getroffen!

Aktuelles

22. Oktober 2024

Der neue Kollektivvertrag bringt einige spannende Änderungen mit sich – vor allem mehr Flexibilität und planbare Freizeit für Arbeitnehmer:innen und faire Bedingungen für die Branche. Hier ist ein Überblick für Dich über die wichtigsten Neuerungen:

Aktuelles

17. Oktober 2024

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat kürzlich entschieden, dass Fremdfinanzierungskosten wie Zinsen im Zusammenhang mit der Vermietung einer Immobilie auch dann als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Kredit von Familienangehörigen aufgenommen wurde. Entscheidend dabei ist, dass die Kreditmittel ausschließlich zur Finanzierung der Immobilie verwendet werden und die Rückzahlungen aus den eigenen Mitteln des Vermieters erfolgen.

Aktuelles

15. Oktober 2024

Für den schnellen Wiederaufbau und zur Unterstützung von betroffenen Unternehmen stehen ab sofort verschiedene Hilfen zur Verfügung:

Aktuelles

19. September 2024

Die COVID-19-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice in vielen Branchen etabliert, und ab 1.1.2025 kommt es zu weiteren Neuerungen durch das neue Telearbeitsgesetz:

Aktuelles

17. September 2024

Seit dem Brexit gilt Großbritannien als Drittland, jedoch gibt es einige Sonderregelungen zur Vorsteuervergütung.

Aktuelles

4. Oktober 2023

In der letzten KI (09/23) haben wir umfassend über die steuerlichen Erleichterungen für von der Hochwasserkatastrophe Betroffene berichtet. In ähnlicher Weise hat auch die ÖGK unbürokratische Soforthilfe für betroffene Unternehmen veröffentlicht. Ziel dabei ist es, jenen, die durch die Katastrophe in Not geraten sind bzw. massive wirtschaftliche Schäden erlitten haben, maßgeschneiderte Lösungen ohne „Wenn und Aber“ anzubieten.

Aktuelles

4. Oktober 2023

Durch die jüngst von der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Inflation beschlossene, erneute Erhöhung des Leitzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte ergeben sich Anpassungen beim Basiszinssatz (nunmehr 3,88 %), welcher wiederum als mehrfacher Referenzzinssatz dient. Die entsprechenden Jahreszinssätze sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Sofern die genannten Zinsen einen Betrag von 50 € nicht erreichen, werden sie nicht festgesetzt.

Aktuelles

4. Oktober 2023

Im Zuge einer einvernehmlichen Ehescheidung hatten zwei Eheleute eine Vereinbarung über die Unterhaltspflichten und die Aufteilung des Vermögens getroffen. Eine gemeinsam als Wertanlage gekaufte Immobilie sollte in das Alleineigentum der Frau übergehen, wobei die Frau eine monatliche Leibrente zu zahlen hatte. Wird eine Liegenschaft mittels Rente übertragen, die als angemessen gilt, liegt eine steuerlich beachtliche Gegenleistungsrente vor. Wird hingegen eine Rente gezahlt, die nicht als angemessene Gegenleistung qualifiziert werden kann, muss von einer freiwilligen Zuwendung bzw. einer Unterhaltsrente ausgegangen werden, welche steuerlich nicht relevant ist. Üblicherweise sind Aufteilungen im Scheidungsvergleich als unentgeltlich einzustufen, da Zahlungen ausschließlich oder überwiegend mit der früheren familiären Beziehung bzw. deren vermögensrechtlichen Abwicklung in Zusammenhang stehen.